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Vergleich der Akteurmodelle. Unterschiede

Worin können sich die Akteurmodelle unterscheiden? Um die Antwort zu finden, nehmen wir als Ausgangspunkt die Eigenschaften, die allen Akteurmodelle gemeinsam sind:

Allen Akteurmodellen muss die Annahme gemeinsam sein, dass der Akteur zwei oder mehr Alternativen in einer (oder mehreren) Hinsicht vergleicht  und als gleich oder ungleich erkennt.

(Die Begründung findet sich hier).

Aus diesen Gemeinsamkeiten können wir ersehen, worin sich die Akteurmodelle unterscheiden können:

1. Es kann zwei oder mehr Alternativen  geben, die verglichen werden.

2. Die Alternativen werden in einer oder mehren Hinsichten verglichen.

3. Es wird Gleichheit oder Ungleichheit erkannt.

4. Es können verschiedenartige  Alternativen vergleichen werden, z. B.  Menschen, Tiere, Pflanzen, Ideen, etc.

5. Die Alternativen können in verschiedenen Hinsichten verglichen werden, z. B.  in Hinsicht auf Alter, Größe, Farbe, Gewicht, Preis etc.

1. und 2.  sind Unterschiede der Anzahl (quantitative Unterschiede). 3. , 4. und 5. bezeichnen jeweils einen Unterschied der Art (qualitativer Unterschied).

Gehen wir der Reihe nach die möglichen Unterschiede durch. Zur Auswahl stehen:

1. Die Anzahl oder die Art der Alternativen, die verglichen werden.

In ihren Annahmen über die Maximalanzahl der  Alternativen können sich die Akteurmodelle unterscheiden. Klassische Homo Oeconomicus-Konzeptionen gehen davon aus, dass der Akteur jederzeit über alle Marktangebote (= Alternativen) informiert ist.

In Wirklichkeit sind dem Akteur meist sehr viel weniger Alternativen bewusst, als ihm tatsächlich zur Verfügung stehen.  Ursache dafür ist der begrenzte Bewusstseinsumfang, also die Anzahl dessen, was einem zu einer Zeit bewusst ist. Beim Homo Sociologicus ist die Anzahl u. a. durch Gewöhnung beschränkt. Manche Alternativen sind für ihn völlig undenkbar (geworden), er macht sie sich nie bewusst.

Was die Mindestanzahl der Alternativen angeht, können sich die Akteurmodelle allerdings nicht unterscheiden, da ein Vergleich nur möglich ist, wenn mindestens zwei Alternativen gegeben sind.

Kann es Unterschiede in der Art der Alternativen geben, die verglichen werden? Vergleicht der Homo Oeconomicus nur materielle Alternativen, der Homo Sociologicus nur immaterielle Normen und Werte und der Emotional Man nur Emotionen?  Das ist zwar möglich, aber man schränkte durch eine solche Annahme den Nutzen des Akteurmodells ein: Ein Akteurmodell soll ja erklären, weshalb aus einer Vielzahl von Alternativen eine ausgewählt wird, egal ob es sich um etwas Materielles oder Immaterielles, um ein Auto, ein Parfüm oder eine Norm handelt.

2. Das Ergebnis des Vergleichs.

Allen Akteurmodellen muss die Annahme zugrunde liegen, dass der Akteur sowohl Gleichheit als auch Ungleichheit erkennen kann.

Denkbar ist aber, von einer Präferenz für das Erkennen von Gleichheit oder von Ungleichheit auszugehen. Im einen Fall wird dem Akteur ein stärkeres Generalisierungsvermögen unterstellt, mit anderen Worten: der Akteur ist ein unsensibler Klotz, der Nuancen und Differenzierungen nicht erkennt. Im anderen Fall, wenn der Akteur ein dominierendes Differenzierungsvermögen besitzt, muss man sich diesen Akteur als einen feinsinnigen Haarspalter vorstellen, der vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht.

Norbert Elias hat in seiner Schrift „Über den Prozess der Zivilisation“ geschildert, wie sich im Laufe von Jahrhunderten die Fähigkeit, Gleichheit und Ungleichheit zu erkennen, entwickelt hat. (Elias liefert einen wichtigen Hinweis: Die menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten verändern sich im Laufe der Zeit. Wenn sich das Original, der Mensch, ändert, muss sich ggf. auch das Akteurmodell ändern. Ein Akteurmodell, das auf Annahmen über gegenwärtige Menschen basiert, eignet sich vielleicht nur eingeschränkt oder gar nicht, um das Handeln von Menschen aus früheren Epochen – oder anderen Kulturen – zu erklären.)

3. Die Anzahl oder die Art der Hinsichten, in denen verglichen wird.

Wenn man Alternativen vergleicht, so kann man sie in einer, in mehreren oder in allen Hinsicht vergleichen,  bevor man eine Entscheidung trifft. In der Frage nach der Anzahl der Hinsichten können sich die Akteurmodelle unterscheiden. Dem Homo Oeconomicus wird unterstellt, alles in allen Hinsichten vergleichen zu können. Ansonsten wird der Anzahl der Hinsichten in den anderen Akteurmodellen wenig Beachtung geschenkt.

Ganz anders ist die Lage, wenn es darum geht, in welchen Hinsichten die Alternativen verglichen werden. Von den genannten Unterscheidungsmöglichkeiten ist diese wohl die Entscheidende. Was den Homo Oeconomicus vom Homo Sociologicus unterscheidet, ist die Hinsicht, die für den Vergleich gewählt wird. Der Homo Sociologicus vergleicht alle Alternativen in Hinsicht auf deren Normkonformität. In dieser Hinsicht erkennt der Homo Sociologicus Unterschiede zwischen den Normen, die – nach Dahrendorf – entweder Kann-, oder Soll- oder Muss-Normen sind.

Der Homo Oeconomicus (sowie das RREEMM-Modell) dagegen vergleicht alle Alternativen in einer anderen Hinsicht, nämlich im Hinblick auf deren Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Der Identitätsbehaupter wiederum vergleicht die Alternativen in Hinsicht auf deren Beitrag zur Identitätsbehauptung. Und selbst der (Constrained) Emotional Man vergleicht die Alternativen in einer ihm eigenen Hinsicht, nämlich im Hinblick auf die mit den Alternativen verbundenen Gefühle.

Fazit: Die Akteurmodelle können sich unterscheiden 1) in der Maximalanzahl der verglichenen Alternativen, 2) in der Fähigkeit, Gleichheit oder Ungleichheit zu erkennen, sowie 3) in der Anzahl der Hinsichten und 4) der Art der Hinsichten, in denen die Alternativen verglichen werden.

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